Der Satansschimmel

Zwischen Kleiner und Großer Mühl erhebt sich - der Grenze zu - ein wuchtiger Bergrücken. Seine Hänge und Höhen sind gegen Norden von Hoch- und Niederwald bedeckt, südseitig liegen, von Strauchwerk umsäumt, karge Äcker. Diese und die steindurchsetzten Feldraine geben die Landschaft ein eigenes Gepräge. Die  Menschen, die da oben hausen, nennen die Kuppel Bühel. In dieser Gegend lebte vor Zeiten ein absonderlicher Gesell. Er wurde der "grobe Sepp" genannt, verdinnte sich bald da, bald dort bei den Bauern als Knecht und lebte ohne Furcht vor Irdischem oder Überirdischem in den Tag hinein. Lange aber duldete ihn keine Bauer auf dem Hof, denn er war ein überaus grobschlächtiger und in seinem ganzen Gehaben derber Bursche. Im Stall zitterten die Tiere schon, wenn sie nur seine Schritte vernahmen. Die Pferde trippelten aufgeregt in den Strängen, wenn der Sepp das Leitseil führte, und sogar die geduldigen Zugochsen sträubten sich, von ihm ins Joch gespannt zu werden. Überall, wohin der Knecht kam, war ihm ein übler Ruf ob seiner Rohheit vorausgeeilt. So war es nicht verwunderlich, dass in bald niemand mehr leiden mochte. Doch in einer einzigen Nacht änderte sich sein Wesen grundlegend. Und das kam so: Der Sepp war viel bei Nacht um die Wege. Unerschrocken und gleichgültig wie er war, trieb er sich sowohl im hellen Mondschein als auch in kohlrabenschwarzer Nacht draußen umher. Als er einmal über eine Wiese ging, auf der der silberfahle Mondschein lag, gewährte er plötzlich einen grasenden Schimmel. Bedächtig näherte er sich dem Pferd und bemerkte, dass es der Größe und dem Aussehen nach seinem Bauern gehören musste. Sicher hatte es sich im Stall losgerissen und war fortgelaufen. "Na dem Ausreißer werde ich daheim schon eine gehörige Tracht Prügel verabreichen"! dachte Sepp, nahm eine Anlauf und schwang sich auf den Schimmel, der gar nicht zusammenschreckte und lammfromm tat.

Als der Sepp eine Weile geritten war, kann ihm die Gegend ganz fremd vor, und je länger er ritt, um so weniger kannte er sich aus. Das Roß, das zuerst, schon in scharfem Trab gelaufen war, fing nun an zu galoppieren und stob zuletzt wie der Wind dahin. Im Saus ging es über Berg und Tal, über Wasser und Wälder dahin, als wäre es im wilden Gjaid. Zuletzt sah der Sepp noch das blanke Band der Großen Mühl tief unten im Mondschein liegen, dann konnte er ob der rasenden Geschwindigkeit nichts mehr unterscheiden. Es verschlug ihm den Atem, um mit letzter Kraft rief er verzweifelt: In Gott`s Nam`!

Im Geäst eines Baumes hoch oben im Böhmerwald fanden ihn am nächsten Tag die Holzknechte. Blutüberströmt war sein Gesicht, die Glieder schienen ihm erstarrt zu sein, doch er lebte noch. Seine Augen waren weit offen, und darin stand der ganz große Schrecken ob des furchtbaren nächtlichen Erlebnisses geschrieben. Schwer musste er für seine Rohheit und für den Ritt auf dem Satansschimmel büßen. Als er sich nach Wochen von seinem Schrecken und seinen Verletzungen erholt hatte, kannte ihn keiner mehr. Sanft und fromm wie ein Lamm verbrachte er die letzten Tage seines Lebens in einem Hof oben in den Büheln.

Satansschimmel